Massive Ernteeinbußen durch Wetterextreme beklagen (v.r.).: LK-Präsident Franz Titschenbacher, LR Simone Schmiedtbauer, Kürbisbäuerin Lisa-Marie Masser, Grünlandbäuerin Heidi Hirn und Kammerdirektor Werner Brugner.
Die Erntebilanz der Steiermärkischen Landwirtschaftskammer wird auch von eingeschleppten invasiven Schadinsekten überschattet, die eine große Bedrohung für die Landwirtschaft sind. Die heimische Landwirtschaft braucht zu deren Bekämpfung einen vielfältigeren Werkzeugkoffer.
Landwirtschaft sehr beunruhigt!
„Sehr schmerzhaft sind die Ertragseinbußen in der steirischen Landwirtschaft durch den fortschreitenden Klimawandel“, ziehen LWK-Präsident Franz Titschenbacher und Agrarlandesrätin Simone Schmiedtbauer eine überaus traurige Bilanz über die Ernte des Jahres 2024.
Von Starkregen rund um Anbauzeit und Ernte sowie Spätfröste mit massiven Mindererträgen bei Mais und frostgeschädigten Äpfeln berichten (v.l.) LK-Präsident Titschenbacher, LR Schmiedtbauer und Kammerdirektor Brugner
"Die wirtschaftlichen Folgen für die Betriebe sind vor allem deshalb so schwerwiegend, weil die verheerenden Wetterextreme wie Starkregen zu besonders heiklen Zeiten auftreten. Rund um die Anbauzeit, zur Ernte sowie im Obstbau nach einem viel zu frühen Vegetationsbeginn, dem Spätfröste folgten“, gibt der steirische Kammerpräsident zu bedenken.
Dazu gesellten sich auch noch eine ausgeprägte Hitzewelle und Trockenheit im Sommer, Hagelschläge und Windwürfe. Die Landwirtschaft litt heuer zudem unter dem wärmsten Februar (+6° C), den wärmsten August (+4° C) den wärmsten Sommer (+3°C) in der 258-jährigen Messgeschichte. Letzteres führte zu ungewöhnlich raschen Reifeschüben und zu historisch frühen Ernten. „Diese im Jahresschnitt bereits um 2,5 Grad Celsius höhere Temperatur ist im übertragenen Sinn beispielsweise beim Menschen mit einem Ganzjahresfieber von 39°C vergleichbar“, lässt Titschenbacher aufhorchen.
Starke Ernteeinbußen
„Durch die rasant voranschreitende Klimakrise steigt das Risiko einer schlechten Ernte von Jahr zu Jahr“, macht sich Titschenbacher große Sorgen, vor allem auch über die wirtschaftliche Lage der Betriebe. Die anhaltend massiven Starkregen im Frühjahr und Frühsommer 2024 mit teils Überschwemmungen und Staunässe ließen auf schweren Böden die Jungpflänzchen verkümmern. Die Folgen: Minus 25 Prozent bei der Gesamtmaisernte im Maisland Steiermark, Totalausfälle miteingeschlossen sowie deutliche Mindererträge bei Getreide. Die Heu- und Grünlandernte war fast unmöglich – es gab kaum zwei bis drei schöne Tage, um die Ernte einzubringen, die Qualitäten sind schwankend. Zwei Drittel der Apfelernte hat der Frost zunichtegemacht, der gefragte Holunder hat unter Zuviel Regen gelitten und der heiße Sommer ließ die reifen Holunderbeeren teils vertrocknen. Unerfreulich sind durch Hitze und Trockenheit im Sommer auch die Ernteerwartungen bei der EU-geschützten Käferbohne g.U.. Ein Lichtblick: Überraschend gut vertragen haben gentechnikfreie Sojabohnen und Hirse die ungünstige Witterung. Eine eher kleine Ernte wird es auch bei Wein und Kürbis geben – bei Wein wird ein qualitativ sehr guter Jahrgang erwartet und bei Kürbis außergewöhnliche Kürbiskernölqualitäten.
Klimawandelanpassung als vordringlichste Aufgabe
„Wir Bäuerinnen und Bauern spüren den Klimawandel nicht erst seit diesem Jahr – aber in der heurigen Ernte werden die Folgen besonders deutlich. Die Klimawandelanpassung hat für uns daher höchste Priorität. Wir haben bereits zahlreiche Schritte gesetzt. Von der erhöhten Förderung für Bewässerungsanlagen über die dynamische Waldtypisierung und den verstärkten Humusaufbau bis hin zum ‚Masterplan Klimarisiko Landwirtschaft‘ hat das Land hier schon viel unternommen. Diese Aufgabe ist aber nicht mit einer, zwei oder gar hundert Maßnahmen gelöst, sondern wird uns tagtäglich weiter fordern. Daher ist ein wirksamer Klima- und Umweltschutz für uns Land- und Forstwirtinnen und –wirte unerlässlich“, betont Landesrätin Simone Schmiedtbauer und verspricht weitere Unterstützung und Beratung von Seiten des Landes für die dringend notwendige Anpassung an die immer herausfordernderen klimatischen Bedingungen.
Eingeschleppte invasive Schadinsekten als große Gefahr
„In den vergangenen Jahren haben sich, bedingt durch die Erderwärmung in unseren Breiten, auffallend viele eingeschleppte Schadinsekten schleichend breitgemacht, die unsere landwirtschaftlichen Kulturen bedrohen“, zeigt sich Kammerdirektor Werner Brugner besorgt. Er verlangt: „Eine sachliche und keine ideologische, angstmachende Diskussion über Pflanzenschutzmittel, die eine große Errungenschaft der Wissenschaft sind und deren ausgebrachte Mengen stark rückläufig sind.“ Dazu kommt, dass die Bauern die Hoffnung verlieren, weil immer mehr bestehende Pflanzenschutzmöglichkeiten in Frage gestellt werden und die teuren Zulassungsverfahren in Österreich wegen der geringen Marktrelevanz oftmals nicht attraktiv sind. „Erleichterungen sind hier notwendig“, verlangt Brugner von der neuen Bundesregierung.
„Die nun in Europa grassierende und in Österreich angekommene Blauzungenkrankheit ist ein Musterbeispiel einer eingeschleppten Viruserkrankung“, sagt Brugner. Die aus Südafrika eingeschleppte Viruserkrankung (für Menschen ungefährlich, für Rinder und Schafe sehr bedrohlich) wird von beißend saugenden Stechmücken, den Gnitzen übertragen.
„Die Raupen der aus dem Tropen und dem Mittelmeerraum bei uns eingewanderte Baumwollkapselwurm schädigt Gemüse und Zierpflanzen und ebenso befällt die aus Ostafrika eingewanderte grüne Reiswanze Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte“, führt Brugner als weitere Beispiele an.
Ein großer Forstschädling und bedingt durch den Klimawandel besonders aggressiv wütet die gefürchtete Borkenkäferart Buchdrucker.
Regionale Ernährung sichern
"Zur Sicherung der Ernährung brauchen wir einen vielfältigeren Werkzeugkoffer. Nicht nur durch die zunehmende Bedrohung durch invasive Schadinsekten braucht die Landwirtschaft bei den Pflanzenschutzmitteln einen vielfältigeren Werkzeugkoffer, um die regionale Ernährung zu sichern. Tappen wir nämlich aus ideologiegetriebenen Gründen in die Falle, unsere produktiven, regionalen Standorte nicht mehr zu bewirtschaften, dann verstärken wir den Druck auf die Abholzung des Regenwaldes und heizen so den Klimawandel erst recht an“, so Brugner. Europa dürfe nicht zum unproduktiven Schrebergarten verkommen, während im Rest der Welt eine Hyperindustriealisierung der Landwirtschaft erfolgt, um die Ernährung der bald 9 Milliarden Menschen zu sichern.
Fotocredit: LK Steiermark/Foto Fischer